Prolog: Was tat Gott am achten Tag?


Sechs Tage lang schuf Gott die Erde. Und am Ende des sechsten Tages sah er, dass es gut war. Es war gut. Um nicht zu sagen göttlich. Dann ruhte er einen Tag. Erholung braucht jeder. Was er danach tat, wissen wir nicht. Vielleicht gönnte er sich ein wenig Muße. Aber vielleicht schuf er danach auch eine nächste Erde und noch eine und noch eine. So eine Ewigkeit kann ja ganz schön lang werden. Vielleicht sogar langweilig?

Und wir? Was tun seine gottähnlichen Geschöpfe? Wir fingen sofort an, alles zu verbessern. Von morgens bis abends. Und davon bekommen wir nie genug. Wir machen die Augen auf, und finden sofort etwas, das noch ein bisschen anders oder besser sein könnte. An der Welt oder an uns. Das gilt auch für den Fall, dass es mehr als gut genug ist.

Seit der Vertreibung aus dem Paradies (was genau Adam und Eva dort den ganzen Tag lang taten, wissen wir nicht) sind wir außerdem genötigt, unser Brot im Schweiße unseres Angesichtes zu backen. Genötigt sein, hatte ursprünglich mit Not zu tun. Welche Not?

Die Feinde des Guten

Wie geht nichts tun? Ist es nicht so, dass wir eigentlich immer etwas tun? Selbst wenn wir nichts tun, die Zeit totschlagen, abhängen, chillen, faulenzen, ruhen, schlafen, die Hände in den Schoss legen, wenn wir «Tu-nichts-gute» sind. 

Müssiggang ist aller Laster Anfang, sagt der Volksmund und vermutet nichts Gutes, wenn wir nicht fleissig sind: Opulenz, Lasterhaftigkeit und Triebhaftigkeit … vor allem, dass wir am Ende den Anderen auf der Brieftasche liegen. Musse musste schon immer unbedingt und auf jeden Fall gerechtfertigt werden. Heute wird es gerne als kreative Pause bezeichnet, bevor wir wieder fleissig und einfallsreich dazu beitragen, das Bruttosozialprodukt zu steigern.

Es war übrigens noch nie egal, wer untätig ist. Das Nichtstun der Reichen war schon immer weniger skandalös als das der Armen. Ausserdem sah es besser aus. Wie anstrengend und öde Nichtstun sein kann, wurde inzwischen hinreichend beschrieben. Die guten Reichen hören ja auch nicht auf, zu arbeiten; sie erhöhen ihren Reichtum und strengen sich an, ihr Geld noch raffinierter auszugeben oder wenigstens, noch besser auszusehen.

Das eigentliche Bemerkenswerte ist, dass wir immer etwas tun müssen, selbst wenn wir nichts tun. Und ganz gleich, was wir tun, es ist nie genug, es hört nie auf und wir finden immer einen Grund, warum es noch besser werden könnte.

Aber warum ist gut eigentlich nie gut genug? Und ist das Bessere nicht der Feind des Guten?

Entspricht es tatsächlich unserer Erfahrung, dass das Bessere immer besser ist? Die Welt ist voller Beispiele dafür, dass sich das Bessere im Auftrag von Wachstums- und Fortschrittswahn auf einem abscheulichen Feldzug gegen das Gute befindet.

Immer häufiger begegnet mir das Phänomen, dass am Ende von anhaltenden Verbesserungsprozessen ein monströses Ergebnis steht, das alles nur komplizierter gemacht hat, komplexer, umfangreicher. Aus einer einfachen Norm wird dann ein 700-seitiges Regelwerk.

Unsere Smartphones und Rechner werden von einem Deus ex machina ständig geupdated, bis sich niemand mehr auskennt, Viren unsere Festplatten verseuchen und der Arbeitsspeicher zugemüllt ist.

Wer braucht schon Waschmaschinen, die sich mit unseren Staubsaugern darüber unterhalten, wie sie gemeinsam in Zukunft das Geheimnis der verschwundenen Strümpfe für uns lösen können?

Woran liegt es, dass alles nie gut genug ist und immer noch besser werden muss?  Ist «gut» nicht ein absoluter Begriff und «besser» ein relativer? Wann genau haben wir vergessen, dass es nichts Besseres als Das Gute gibt?

Wenn das Gute nicht gut ist, dann ist es auch nicht das Gute. Aber wenn es wirklich gut ist, dann ist es auch gut genug. Denn auch das Bessere könnte uns doch niemals mehr sein, als das Gute.

Was geschieht mit uns, wenn wir das Gute nicht mehr erkennen können, sondern stattdessen immer auf der Suche nach dem Besseren sind, das immer nur sehr kurz gut genug sein kann, weil ja – wie oben ausgeführt – das Bessere der Feind des Guten ist.

Die Entdeckung des Guten wäre das Ende des Besseren. Würde uns sofort in die Postwachstumsgesellschaft stürzen. Was für ein schrecklicher Gedanke: Er oder sie – ein Gott ähnliches Geschöpf – schlägt morgens die Augen und sieht «alles ist gut». Womit wir wieder beim Anfang der Geschichte wären.

Epilog: Was wir schon immer gern getan hätten

Ein Unternehmensberater macht Urlaub am Meer und trifft einen Fischer, der am Ufer angelt und den lieben Gott einen guten Mann sein lässt. Obwohl er im Urlaub ist, liest er diesem Tagedieb (jemand, der dem lieben Gotte einen Tag stiehlt) die Leviten und tut das, was er an der Business-School gelernt hat: beraten. Er diskutiert den Business Case, schreibt den Businessplan, geht mit ihm zur Bank, besorgt die Finanzierung, kassiert seine Prozente und wenige Wochen später ist der Fischer mit einer ganzen Fangflotte vor Grönland unterwegs und fischt das Meer leer. Die Fangerträge sinken. Die EU senkt die Fangquote und zwei Jahre später geht der Fischer in Konkurs. Er nimmt seine Angel, geht ans Meer und wen trifft er dort, eine Angel in der Hand? Den Berater. Der hat ausgesorgt, ist in Rente und tut das, was er schon immer am liebsten getan hätte: in Ruhe angeln und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, der nichts dagegen hat, wenn man ihm die Zeit stiehlt.


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