Es muss um die Jahrtausendwende herum gewesen sein. Auf der Titelseite der Bild-Zeitung war ein Foto der Erde aus dem Weltall abgedruckt und die Titelstory warnte vor der Erwärmung des Klimas. Erstmals hatte Deutschlands selbst ernannter „Sprecher des Volkes“ den Klimawandel als real existierendes Problem anerkannt. Ich dachte: Wundervoll. Jetzt haben wir es geschafft. Wenn selbst die Bild-Zeitung (die vorher und heute wieder alle grünen Themen verächtlich macht) die Notwendigkeit anerkennt, dass wir Klimaschutz betreiben müssen, kann die Regierung gar nicht mehr anders, als das Thema ernst zu nehmen und zu handeln.
Das ist jetzt über 25 Jahre her und die Veränderungen, die tatsächlich notwendig gewesen wären, um unseren Teil zum Klimaschutz zu leisten, wurden nur zaghaft ergriffen: Mutige Menschen wurden zu Pionieren der Klimawende und sofort wieder ausgebremst. Zwei Schritte vor – ein Schritt zurück. Jedes Mal, wenn die Partei, die von sich selber behauptet, „konservativ“ zu sein – also bewahrend – an die Macht kommt, übernehmen marktradikale Kräfte und die fossile Wirtschaft das Ruder und bereiten der großen, sterbenden Natur und innovativer Unternehmen den Weg. Wie dumm kann man sein?
Wir schützen nicht das Klima: Wir schützen Menschen und die Natur. Dem Klima ist es völlig egal, wie es ihm geht. Das Klima ist das Klima. Wenn wir von Klimaschutz sprechen, dann sprechen wir über Naturschutz und die Rechte unserer Kinder und Kindeskinder auf ein Leben in Sicherheit und Wohlstand. Wir schützen unsere und deren Grundrechte und die Befriedigung unserer und deren Grundbedürfnisse.
Doch diese Güter – das ist es, was wir gerade erleben – spielen keine Rolle mehr, wenn die Wirtschaft nicht mehr wächst. Dabei ist das Wohlstandsniveau (in materiellen Gütern gemessen) in Deutschland bereits extrem hoch. Dass es dennoch immer mehr Menschen gibt, die sich um ihre materielle Existenz sorgen, hat ganz alleine mit Verteilungsfragen zu tun. Die „Armutsmaschine“ Kapitalismus war und ist nämlich nicht in der Lage, eine Welt zu schaffen, die frei von Angst, Krieg und Umweltzerstörung ist. Ganz im Gegenteil: Sie führt uns zyklisch immer wieder an den Punkt, an dem der Zusammenbruch nur noch durch Krieg verhindert werden kann.
Wir haben in Deutschland und Europa kein Wirtschaftswachstumsproblem. Wir haben ein Verteilungsproblem. Wir können und müssen die Abhängigkeit unseres Wohlstandes vom Erfolg des Exportsektors abkoppeln. Wir können und müssen uns auf eine faire Verteilung und Teilhabe aller an dem in Europa und für Europa erzeugten Wohlstandes konzentrieren. Denn erstens ist alles schon da, was wir wirklich brauchen. Am Beispiel Wohnen: In Deutschland liegt die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf mittlerweile bei rund 47,7 m² (Stand 2021). (REFIRE) Dieser Wohnraum ist allerdings absurd ungerecht verteilt: zwischen Arm und Reich und zwischen Alt und Jung, zwischen Stadt und Land.
Und zweitens müssen wir uns vor allem um den weisen Gebrauch und die Würdigung dessen kümmern, was schon (und noch) da ist: Kulturgüter, Gebäude, Technik, langlebige Güter, Boden und Natur (biologische Vielfalt).
Scheiß auf den internationalen Wettbewerb!
Der kann uns völlig egal sein. Europa ist reich genug und groß genug, um alles, was seine Menschen brauchen, herzustellen. Es ist genug von allem für alle da.
Lasst uns aber vor allem auf keinen Fall den Weg der Aufrüstung weitergehen und stattdessen aktiv Friedenssicherung betreiben. Von Mensch zu Mensch. Ich glaube an die Friedfertigkeit und Friedensfähigkeit des einzelnen Menschen , aller Väter und Mütter – aber nicht von Staaten. Denn den Umbau unserer Wirtschaft in eine Kriegswirtschaft ist nicht nur ökologischer Wahnsinn, er macht uns wirtschaftlich und sozialpolitisch von einem Sektor abhängig – der nur Tod und Zerstörung in die Welt bringt. Wir können und müssen einen politischen Prozess beginnen (fortführen), der die berechtigten Sicherheitsinteressen aller Länder berücksichtigt und Stück für Stück Vertrauen aufbaut, den aktuellen Status absichert und eine friedenspolitische Wende herbeiführt.
Wo sind wir, als BürgerInnen und Menschen?
Warum setzen wir diese Forderungen nicht durch? Die Mehrheit in unserem Land will all das. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Trotzdem lassen wir es zu, dass „die Politik“ eine ganz andere Agenda umsetzt.
Politik beruht bei uns auf einem Wettbewerb zwischen politischen Parteien, die für ihren Machterhalt und für „ihre Klientel“ alles tun. Und das tun sie, weil sie fest davon überzeugt sind, dass nur sie „die Guten“ sind.
Ich denke, dass wir all dessen müde sind. Es war noch nie so klar wie heute, dass es bei diesem Spiel nicht um unsere Bedürfnisse geht oder um die Zukunft unserer Kinder und Enkel.
Die herrschende Politik hat ganz andere Sorgen: Sie glaubt Geopolitik betreiben, zu müssen, im weltweiten Innovationswettbewerbe mit halten zu müssen, Märkte und Rohstoffquellen für „unsere Industrie“ sichern und erobern zu müssen, damit dem „Deutschen Modell“ nicht die Puste ausgeht, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sichern zu müssen..
… aber müssen sie das wirklich?
Bleiben die wirklich wichtigen Dinge, die über unser aller Zukunft entscheiden, nicht auf der Strecke? Natur schützen, vorsorgende Gesundheitspolitik betreiben, Bildung für ein gutes Leben… bezahlbares Wohnen für alle… Gemeinschaft und sozialer Zusammenhalt, nachhaltige Entwicklung und klimafreundliches Leben und Wirtschaften… eine (leistungs)gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen.
Was jetzt vor allem bedeutet:
Kein leistungsloses Einkommen für niemanden, eine drastische Besteuerung aller Einkommen, die auf Spekulation beruhen oder darauf, dass „Geld arbeitet“. Denn Geld arbeitet nicht. Menschen und Maschinen arbeiten. Geld konsumiert nicht. Und Autos kaufen keine Autos.
Damit eine Volkswirtschaft funktioniert, braucht das Volk ein Einkommen, das es allen Menschen ermöglicht, sich gegenseitig einen fairen Preis für ihre gute Arbeit zu bezahlen. Eine Wirtschaft, die nur funktioniert, wenn wir immer mehr hochwertige Güter billig exportieren, um miserablen Schund billig zu importieren ist WAHN-SINN.
Denn es führt dazu, dass auf beiden Seiten dieser Grenzen immer mehr Menschen zu Hungerlöhnen schuften oder vor Sorge um die nächste Mietzahlung nicht schlafen und vor lauter Erschöpfung, Mutlosigkeit, Trauer und Überforderung nicht mehr dazu kommen, für ihre Rechte und eine gute Zukunft politisch aktiv zu werden.
Es ist die Trägheit der Herzen, die wir überwinden müssen – und das Misstrauen ineinander. Denn wenn wir BürgerInnen uns gegenseitig misstrauen, dann tun wir genau das, was „die da oben“ wollen.
Ihre Macht beruht darauf, dass wir uns gegenseitig nicht vertrauen und im Andersdenkenden den Feind sehen und nicht miteinander sprechen. Teile und herrsche: Das ist das Spiel der Mächtigen. Wir können es besser.