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Auenland und/oder Mordor?

Wir haben es satt: Auf der Suche nach der Landwirtschaft von Morgen

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Jungbauer und Argarwendeaktivist Phillip Brändle

Berlin, 30 September 2016. Wer ernährt uns in Zukunft? Wie sieht die Landwirtschaft von Morgen aus? Auf der Auftaktveranstaltung der Konferenz  „Wir haben es satt“ in Berlin, gehen die Bilder sehr weit auseinander. Bernhard Krösken vom Deutschen Bauernverband, hat sich in die Höhle des Löwen gewagt. Denn das Bündnis „Wir haben es satt“ kämpft für eine Ernährungs- und  Agrarwende: Für Ackerland in Bauernhand, für eine Tierhaltung in der das Wohl des Tieres im Mittelpunkt steht, für eine Saatzucht, die auf Vielfalt setzt und in den Händen von Vielen ist. Und für eine regionale Lebensmittelerzeugung in der Landwirte und Weiterverarbeiter, darunter auch das Lebensmittelhandwerk, Hand in Hand arbeiten.

Auenland oder Mordor? Oder Auenland UND Mordor?

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In der „Höhle des Lowen“: Bernhard Kröske vom Bauernverband

Wenn Bernhard Kröske sich die Landwirtschaft der Zukunft vorstellt, ist das Bild bunter und  widersprüchlicher. Es gehe nicht um ein entweder oder – Mordor ODER Auenland – sondern um ein sowohl als auch. Er hält es für möglich eine höhere Wertschöpfung zu erzeugen und warnt vor zu hoher Spezialisierung, die sei gefährlich. Aber er geht auch davon aus, dass ein Großteil der Flächen in Zukunft mit Hilfe von Pflückrobotern und hochautomatisierter Technik,  Lebensmittel ohne Herkunft und Namen (O-Ton: „Bulkware“) produziert: für die heimischen Märkte und für den Export. Aber er kann auch einen Trend zur Spezialisierung auf Qualitätsprodukte und Direktvermarktung erkennen, die eine hohe Wertschöpfung ermögliche. Mit Blick auf den Tierschutz warnte davor, den Neubau von Ställen so teuer und kompliziert zu machen, dass ihn sich nur wenige, und darunter auch die „Falschen“ leisten könnten. Eine tierfreundlichere Landwirtschaft sei möglich, aber sie müsse sich auch in Zukunft rechnen. Er sei davon überzeugt, dass die Globalisierung nicht aufzuhalten sei, ganz gleich ob TTIP und CETA kommen oder nicht. Man müsse in Zukunft in allen Produkten mit Anteilen von Importware rechnen.  Andererseits gebe es auch Premiummärkte im Ausland, die für Qualitätsprodukte aus Deutschland offen seien.

Die Digitalisierung verändere nicht nur die landwirtschaftliche Produktion sondern die ganze Wertschöpfungskette, die immer stärker „integriert“ würde. Die Lebensmittel wanderten in Zukunft von den Höfen immer öfter direkt in die Regale der Supermärkte vor Ort oder in die Privathaushalte. Damit könnten sich neue Abhängigkeiten und Risiken ergeben und zwar vor allem, wenn die Landwirte „ihre Daten“ nicht selber in der Hand hätten.

2030 werde es voraussichtlich immer noch eine Marktwirtschaft und einen – wenn auch veränderten – Markt für landwirtschaftliche Produkte geben. Ohne Landwirtschaftliches Unternehmertum gehe es auch in Zukunft nicht. Das habe die Vergangenheit bewiesen. Er geht davon aus, dass das Sterben der Höfe noch nicht zu Ende ist. 2030 werde es noch rund 225 000 Höfe geben. Das sage aber noch nichts darüber aus, welche Betriebsformen dominierten.

Konsumenten geben sich mit „symbolischer Naturnähe“ zufrieden

Sein „worst case szenario“ ist, dass es der Deutschen Landwirtschaft so gehen könnte, wie der Textilbranche, die ihre Produktion nahezu vollständig ins Ausland verlagert habe. Gar  kein Vertrauen hat er in die KonsumentInnen. Die kauften heute für 600 Euro Funktionsjacken, um sich mit einer Aura von „Naturnähe“ zu umgeben und stiegen dann in ihren SEW, obwohl sie genau wüssten, dass von den 600 Euro so gut wie nichts, bei den Produzentinnen in Bangladesh „hängen blieben“.

Menschen und Tiere sind wichtiger als Profit

Jungbauer und Agrarwendeaktivist Phillip Brändle, sieht das ganz anders und nimmt vor allem die EU-Politik in der Pflicht. Sie fördere seit Jahrzehenten den Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft. Ein Drittel aller EU-Fördermittgel gingen in die Landwirtschaft und dort zu 80 % an die Großbauern. Für Jungbauern wie ihn, die auf der Suche nach ihrer eigenen und anderen Landwirtschaft sind, sei es inzwischen fast unmöglich Höfe und Flächen zu kaufen. Alleine in den letzten drei Jahren sei der Bodenpreis um 20% gestiegen. Mit Blick auf die Fusion von Bayer und Monsanto forderte er die Bundesregierung nicht nur auf, dazu Stellung zu nehmen sondern vor allem auch, diesen Zusammenschluss zu verhindern. Schon heute befände sich die Saatgutherstellung in der Hand eine viel zu kleinen Zahl von Unternehmen. Eine nachhaltige Landwirtschaft brauche aber eine bäuerliche Zuchtkultur, die auf Vielfalt setze. Seine Vision von der Landwirtschaft ist radikal anders: Er kämpfe für eine Landwirtschaft, in der das Wohl der Tiere und der Pflanzen und der Menschen im Vordergrund steht und nicht der Gewinn und hält eine solche Landwirtschaft für machbar und möglich.

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