Nur Leben ist Reichtum

Blog Christine Ax
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Irrweg Geld

Je länger ich darüber nachdenke, desto seltsamer kommt es mir vor, dass wir Arbeit mit Geld entlohnen. Denn ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass an erster Stelle die Währung Respekt und Dankbarkeit stehen sollte. Ich tue dies nicht, um mich über Menschen, die schlecht entlohnt werden, und davon gibt es weltweit viel zu viele, lustig zu machen. Denn ich sehe durchaus, dass diese Gefahr besteht. Denn ich weiß, dass unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem einen ganzen Kontinent schlecht bezahlter Arbeit erschaffen hat. Und dass die Höhe der Entlohnung die Herrschaftsverhältnisse widerspiegelt. Je höher „man“ in der Hierarchie angesiedelt ist, desto größer ist der Anteil den „man“ sich von dem aneignet, was an Wert geschöpft wurde (soweit sich dieser in den erzielten Marktpreisen widerspiegelt).

Dennoch, ich bleibe dabei: Der Teil, den wir nicht mit Geld entlohnen können, ist immens hoch. Denn wir konsumieren mit den Dingen die wir kaufen (ob wie sie nutzen oder nicht) auch Unbezahlbares. Lebenszeit. Lebensenergie. Die Mühe die sich jemand gab, all die Fähigkeiten zu erwerben, die erforderlich sind, damit wir das Ergebnis in Anspruch nehmen können. Oft auch ein Lächeln, Mitgefühl, gute Worte. Die Teilhabe an ihrer/seiner Existenz.

Wir alle haben zu jeder Zeit ein feines Empfinden dafür, ob die Menschen, denen wir tauschend begegnen (Geld gegen Ware / Dienstleistung) exakt das geben, was sie uns (vertraglich) schulden, oder ob sie uns auch als Mensch begegnen und vielleicht oder sogar ihr „Bestes“ geben. Denn das ist niemals Geld.

Geld ist ein Teufelszeug. Denn erst das Geld ermöglicht die Vermeidung jedweder Begegnung? Es steht zwischen mir und demjenigen, der mir seine Zeit schenkt, seine Aufmerksamkeit, seine Kraft, seine Mühe.

Man stelle sich nur einmal vor, wir hätten kein Geld sondern lebten in einer Gesellschaft des freien Tausches, in der wir uns nicht mit Geld „freikaufen“ könnten, sondern jedwedes Ding, jedwede Leistung nur dann in Anspruch nehmen könnten, wenn wir miteinander in jedem Einzelfall den Tausch persönlich so aushandeln müssten, dass er von beiden Seiten als fair und befriedigend erfahren würde. Wir würden sehr viel Zeit mit einander verbringen müssen. Wir würden in einer Welt voller persönlicher Beziehungen und Verpflichtungen leben. Alle hingen mit allen zusammen.

Leistungen, die Menschen für andere erbrachten, wurden in der Vergangenheit keineswegs nur oder in erster Linie mit Geld und schon gar nicht als Stundenlohn vergütet.

Denn erstens existierte das, was wir heute „Arbeit“ nennen so nicht. Der mühevolle Anteil an unserem Stoffwechsel mit der Natur war einerseits normaler Bestandteil des Lebens. Er war – anders gesagt – das Leben. Was sonst?

Alle hatten Aufgaben, die sie für die Gemeinschaft (Familie/Stamm) übernehmen mussten/durften, aus denen sich auch Rechte ableiten ließen. Das galt lange Zeit selbst für die Armen und das Armenwesen. Solange es die „eigenen Armen“ waren, und nicht die Armen der anderen.

Ich konnte mir schon immer sehr viel einfacher einen fairen Tausch von Artefakten, Lebensmitteln und anderen Objekten vorstellen, als einen fairen Tausch von „Dienstleistungen“. Denn der Aufwand der Herstellung und Beschaffung der Güter des täglichen Gebrauchs war allgemein bekannt und durch Institutionen geregelt.

Schwieriger verhielt es sich schon immer mit Dienstleistungen. Da galt das Prinzip „Tagwerk“. Ein Tagwerk, war das, was an einem Tag geleistet werden konnte. Rein theoretisch sollte man annehmen, dass ein solches Tagwerk so entlohnt werden musste, dass diejenigen, die es vollbrachen von dem „Lohn“ mindestens sich selber, wenn nicht die eigene Familie einen Tag ernähren konnten. Heute würd man von einem „existenzsichernden Lohn“ sprechen. Für viele Länder im globalen Süden, liegen dafür komplexe Berechnugnen vor.

Allerdings waren die Tagwerke die entgolten werden sollten, auch schon immer ganz unvergleichlich. Denn jeder Mensch ist anders und verfügt über andere persönliche Stärken und Kompetenzen. Für manche Tätigkeiten ist Kraft erforderlich, für andere der langwierige, mühsame und oft auch schwierige Erwerb von Fähigkeiten / Künsten.

Das Vermögen – also das was wir als Individuen vermögen – unterscheidet sich stets vom Vermögen anderer. HandwerkerInnen, die viel gereist waren, konnten zum Beispiel manches, was andere (noch) nicht konnten. Sie waren in der Lage seltene Dinge zu tun oder seltene Objekte herzustellen und waren deshalb „kostbarer“ als andere.

In der Regel waren diese Austauschbeziehungen über Jahrtausende persönlich und die Bedingungen, unter denen diese Güter hergestellt wurden waren ebenso bekannt, wie die Menschen, die sie herstellten und ihre Lebensbedingungen. Erst die Industrialisierung und die Globalisierung haben dieses unsichtbare Band zwischen den Menschen zerrissen und durch den für alle gültigen Marktpreis ersetzt.

Und wir machen uns selber klar, in welch kurzem Zeitraum dies der Fall war. Erst die Zerstörung der bis in 19. Jahrhunderte dominanten Beziehungs-Ökonomien machte es möglich, dass unser Konsum so zerstörerisch werden konnte, wie er es heute ist. Denn wenn wir heute so unersättlich sind, dass wir mit unserem Überkonsum die Welt zerstören (müssen?), dann steht hinter diesem unendlichen Hunger nach immer mehr (Leben?) auch dieser unerfüllte Wunsch nach Respekt, Anerkennung und Würde, der weder mit Geld noch durch geldvermittelte Leistungen gestillt werden kann.

Die Leugnung und die Ignoranz dieses anderen Hungers ist eine der Ursachen für die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Wir brauchen eine Rückkehr zu einer Beziehungsökonomie, in der bei jedem Tausch nicht nur das allgemein gültige Tauschmittel Geld getauscht wird, sondern auch Respekt, Wertschätzung und womöglich sogar Zuneigung.

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